Identität der Architektur – 7. Aachener Tagung: Zeit
Positionen zur Bedeutung der Zeit in der Architektur
16. Januar 2025
Fakultät für Architektur, RWTH Aachen University
Die 7. Aachener Tagung widmet sich dem Thema der Zeit. Warum „Zeit“? In heutigen Diskursen zur Architektur kommt der Begriff „Zeit“ vergleichsweise selten vor und vielleicht liest er sich auch hier ein wenig ungewohnt? „Zeit“ ist der Oberbegriff all jener temporalen Beschreibungen von Architektur, die wir im alltäglichen Sprachgebrauch mitführen, wenn wir beispielshalber von „Architekturgeschichte“ sprechen und uns die „Zeitgeschichte“[1] der Architektur in- oder auch exkludiert vorstellen. Aber um Begriffsgeschichten soll es nicht gehen und die „Geschichte der Architektur“ bleibt hier zunächst im Hintergrund präsent. Ungenauer noch geht es beim Nacheinander in der Zeit mit den adjektivischen Zuschreibungen von „alt“ und „neu“ zu, die im Gespräch über Architektur allein noch konzeptualisierte Bedeutungen anzunehmen scheinen. Dass wir in der Architektur scheinbar immer weniger „Neues“ sehen und das dieses wenige „Neue“ unverzüglich dem „Alten“ zuzufallen scheint, gehört zu unseren „Zeit-Erfahrungen“ unter der „evolutionären Dynamik der wissenschaftlich-technischen Zivilisation“,[2] mit anderen Worten: Das „Neue“ tritt zwar mannigfaltig, aber in immer weiter zeitlich abnehmenden Intervallen auf, sodass wir es als das „Neue“ weder wahrnehmen und erkennen noch vom „Alten“ zu unterscheiden vermögen. [3]
Die „bedächtige“ Architektur kann da schon länger nicht mehr mithalten und für Avantgarden fehlt schlicht die Zeit. Von Wandel und Umbruch ist zudem die Rede. Man spricht vom „Fall des Zeitregimes der Moderne“, die Aufmerksamkeit für Modernisierungsprozesse, Fortschritt und Zukunft nähme ab und die neuen Kategorien – „Kultur, Identität und Gedächtnis“ – träten auf.[4] Jedenfalls schien das noch für die „Vor-Krisen-Zeit“ zu gelten. Längst hat sich neben der Aufmerksamkeit für das Vergangene das „diensthabende Organ der wahrnehmbaren Zeit“ – die „Sorge“ [5] – die Sorge um das Kommende mit Vehemenz zurückgemeldet. So wie das Wohnen unserer räumlichen, so gehört die Sorge zu unserer zeitlichen Verfasstheit.[6] Als „zeitliches Organ“ hält die Sorge auch einen Übergang zum derzeit domminierenden Diskurs über Nachhaltigkeit offen. Und auch die nachfolgenden Überlegungen zu „Sinn“ und „Inhaltlichkeit“ der Architektur weisen in dieser Hinsicht auf weitere Möglichkeiten. […]
Unter drei vorgegebenen Fragestellungen und anhand beispielhafter gebauter Projekte sollen die teilnehmenden Architekt:innen verschiedene Positionen im Umgang mit der Form aufzeigen und zur Diskussion gestellen.
1. Zeit und Architektur (Statement)
Welche Bedeutung hat „Zeit“ für die architektonische Gestalt eines Baus? Welchen Stellenwert nimmt „Zeit“ beim Zustandekommen der Architektur ein? Inwieweit gehören theoretische und praktische Vorstellungen von Zeit zu Grundlagen der Architektur?
2. Zeit und Entwurf
Ist eine bestimmte und bestimmende Vorstellung von Zeit immer schon beim Entwerfen präsent und daher auch ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Entwurfs? Bestimmt die Zeit Form, Konstruktion, Material, Funktion und Raum eines Baus, oder passt sich die Zeit in einer Wechselwirkung an diese an?
3. Zeit und Bau
In welcher Weise werden die zeitgebundenen entwurflichen Vorstellungen baulich umgesetzt? Welche Rolle spielt die Zeit für die architektonische innere und äußere Erscheinung des Gebäudes und wie und wann werden diese Überlegungen auf verschiedenen Ebenen des Entwurfs- und Planungsprozesses untersucht und präzisiert?
Lehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung; Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Uwe Schröder; info@raum.arch.rwth-aachen.de; Fakultät für Architektur; RWTH Aachen University; wiss. Mitarbeit: Johannes Büge, Nicola Carofiglio, Frank Tebroke, Ilaria Maria Zedda
[1] Vergl. Gabriele Metzler, Zeitgeschichte: Begriff – Disziplin – Problem, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 07.04.2014 http://docupedia.de/zg/metzler_zeitgeschichte_v1_de_2014 DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.567.v1.
[2] S. Hermann Lübbe, Zeit-Erfahrungen. Sieben Begriffe zur Beschreibung moderner Zivilisationsdynamik, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, Steiner, Stuttgart 1996.
[3] Vergl. die Ausführungen z. d. Begriffen „Gegenwartsschrumpfung“ u. „Zukunftsexpansion“, in: Ebd. S. 12-19.
[4] S. Aleida Assmann, Ist die Zeit aus den Fugen? Aufstieg und Fall des Zeitregimes der Moderne, Hanser, München 2013.
[5] Vergl. Martin Heidegger, Die Sorge als Sein des Daseins, in: Sein und Zeit (1927), Gesamtausgabe, hrsg. v. F.-W. v. Herrmann, Bd. 2, 6. Kapitel, §§ 39-44, Vittorio Klostermann, 2. Aufl., Frankfurt a. Main 2018, S. 240ff.
[6] Vergl. Rüdiger Safranski, Zeit der Sorge, in: Zeit. Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen, Fischer, Frankfurt a. Main 2017, Kapitel 3, S. 63ff.
News: Identität der Architektur - 7. Aachener Tagung: Zeit. Positionen zur Bedeutung der Zeit in der Architektur
Datum: 16-01-2025