RAUMENTWURF • RAUMGESCHICHTE • RAUMTHEORIE
VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN GRUNDLAGEN DER RAUMGESTALTUNG
Die Vorlesung zur Einführung in entwurfliche, geschichtliche und theoretische Grundlagen der Raumgestaltung stellt das inhaltliche Rückgrat des Lehr- und Forschungsgebietes Raumgestaltung im Bachelorstudiengang der Architektur dar. Die zwölf Lehrveranstaltungen gliedern sich in drei Vorlesungsteile mit jeweils einem Repetitorium: Fünf Vorlesungen behandeln den angewandten Teil „I“ der Raumentwurfslehre, der nachfolgende Teil „II“ gibt in zwei Vorlesungen einen Abriss der Raumgeschichte und Teil „III“ vermittelt mit zwei Vorlesungen theoretische Grundlagen der Raumgestaltung. Auf die drei Vorlesungsteile folgt jeweils ein Repetitorium, das den Stoff der Vorlesungen an Beispielen veranschaulicht und mit Literaturhinweisen vertieft.
TEIL I: RAUMENTWURF
V. I_RAUMENTWURF I: Intro. Über Raum, Räume und Räumlichkeit; V. II_RAUMENTWURF II: Topos. Über die Räumlichkeit der Orte; V. III_RAUMENTWURF III: Typus. Über das Anordnen der Räume; V. IV_RAUMENTWURF IV: Typus. Über das Errichten der Räume; V. V_RAUMENTWURF V: Idee. Über Raumgestaltungen; REP. I_RAUMENTWURF REP. I: Grundbegriffe des Raumentwurfs. Beispiele und Literatur;
TEIL II: RAUMGESCHICHTE
V. VI_RAUMGESCHICHTE I: Perspektive. Über die „Entdeckung“ des Raumes; V. VII_RAUMGESCHICHTE II: Unendlichkeit. Über die Ästhetik des Raumes; REP. II_RAUMGESCHICHTE REP. II: Grundbegriffe der Raumgeschichte. Beispiele und Literatur;
TEIL III: RAUMTHEORIE
V. VIII_RAUMTHEORIE I: Raumwesen. Über den kunstgeschichtlichen Raumbegriff; V. IX_RAUMTHEORIE II: Phänomen. Über den architektonischen Raum; REP. III_RAUMTHEORIE REP. III: Grundbegriffe der Raumtheorie. Beispiele und Literatur;
TEIL I_V. I_RAUMENTWURF I: Intro. Über Raum, Räume und Räumlichkeit
Mit einer sprachlichen Analyse des Begriffs „Raumgestaltung“ führt die Vorlesung „I“ in entwurfliche Grundlagen des Lehrgebietes ein: Raumgestaltung wird als das „Anordnen und Errichten von Räumen an Orten“ aufgefasst. Neben methodischen Hinweisen auf den Raumentwurf im Allgemeinen und auf die Analyse der zwei Elemente der Raumgestaltung „Topos“ und „Typus“ im Besonderen, stellt die Vorlesung architektonischen Raum als Teil der Räumlichkeit der Lebenswelt vor und unternimmt insofern eine inhaltliche Abhebung von anderen Raumbegrifflichkeiten. Die Relation Mensch und Raum wird als wesentliche Voraussetzung des Raumentwurfes verstanden: Ein chronologischer Abriss vom antikrömischen Autor Vitruv (1. Jhd. v. Chr.) bis zu Bruno Taut (1880-1938) und dessen „Architekturlehre“ (1938) vermittelt eine Vorstellung von der Geltung der Anthropometrie und Anthropomorphie in der Architektur und stellt den Begriff „Proportion“ mit erweiterten Inhalten in die Mitte der Betrachtung.
TEIL I_V. II_RAUMENTWURF II: Topos. Über die Räumlichkeit der Orte
Mit Exkursen über die Vitruvianische Ursprungslegende der Architektur einerseits und über den Tempel der Vesta auf dem Forum Romanum andererseits führt die Vorlesung „II“ mit einer Vergleichung von Landschaft (Lichtung) und Stadt (Forum) in die analytische Beschreibung der Räumlichkeit von Orten ein. In der vergleichenden Darstellung werden die Ähnlichkeiten des Wesens, des Charakters und der Atmosphäre landschaftlicher und städtischer Orte herausgestellt und die Bedeutung des Topos als „genius loci“ für den Raumentwurf erläutert. Näher hin weist die Vorlesung auf Möglichkeiten der begrifflichen und graphischen Beschreibung der Räumlichkeit der Stadt hin. Mit einem Exkurs zu Martin Heidegger (1889-1976) und dessen Vortrag „Bauen Wohnen Denken“ (1951) werden im Besonderen die Begriffe „Wohnen“ und „Versammeln“ vorgestellt und als gedankliche Grundlagen der Analyse des Topos eingeführt.
TEIL I_V. III_RAUMENTWURF III: Typus. Über das Anordnen von Räumen
Mit der sprachgeschichtlichen Herleitung und Auslegung des Begriffs „Typus“ führt die Vorlesung „III“ in eine Darstellung systematischer Raumanordnungen der Stadt und des Hauses ein: Der Begriff „Typus“ wird inhaltlich als ideale Anordnung, dem Wohnen gewidmeter, architektonischer Räume mit charakteristischen äußeren und inneren Formen aufgefasst. Als Ausgangspunkt der Betrachtung dienen räumliche Ordnungen der Stadt, die als bauliche Entsprechungen gesellschaftlicher Strukturen des Wohnens vorstellt werden. Stadt und Haus werden als analoge Systeme betrachtet. Der Typus eines Hauses wird auf eine differenzierte Anordnung gewidmeter Räume zurückgeführt. Die stadträumlichen Einheiten „Platz“, „Hof“ und „Zelle“ werden strukturell analysiert (Kernraum und Anräume) und raumgeschichtlich betrachtet: Am Beispiel der antiken Stadt Pompeji werden die räumlichen Strukturen des Forums (Platz) und des Atriums (Hof) verglichen; das mittelalterliche Kloster, im Besonderen der Typus der Kartause, dient der Darstellung einer differenzierten Anordnung individuell und gemeinschaftlich gewidmeter Räume und Raumfolgen (Zellen und Kreuzgänge); die neuzeitliche Ausprägung des italienischen Stadtpalastes (Hof) und des Studiolo´ (Zelle) werden vor dem Hintergrund der kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen vorgestellt.
TEIL I_V. IV_RAUMENTWURF IV: Typus. Über das Errichten von Räumen
Mit der Vorstellung des architektonischen Körpers als Gegensatz von Raum und Form führt die Vorlesung „IV“ in formale Grundlagen des Raumentwurfes ein. Am Beispiel der Entwicklungsgeschichte der funäreren Architektur der ägyptischen Hochkultur, von den frühen Pyramiden bis zu den späten Felsgräbern, werden räumliche und formale Grenzbereiche und entwurfliche Prinzipien des architektonischen Körpers erläutert. Mit der Vorstellung einer analytischen graphischen Prozedur werden Haus und Stadt in ihrer räumlichen und formalen Konsistenz betrachtet und infolge als analoge architektonische Körper erkannt. Das Erscheinen architektonischen Raumes wird einerseits zur Proportion des Raumes und andererseits zur Ausprägung der baulichen Grenzen des Raumes, d. i. die „Schale“, in einen relationalen Zusammenhang gestellt. Vor dem Hintergrund des Gegensatzes von Innen und Außen geht die Vorlesung der formalen und räumlichen Bedeutung der Konstruktion und der Materialität, der Farbe und der Oberfläche usw. für den Raumentwurf nach.
TEIL I_V. V_RAUMENTWURF V: Idee. Über Raumgestaltungen
Mit der sprachlichen Auslegung des Wortes „Entwerfen“ führt die Vorlesung „V“ von der Analyse der zwei Elemente der Raumgestaltung „Topos“ und „Typus“ zur Synthese, die unter dem Begriff „Idee“ vorgestellt wird. Die Idee des Raumentwurfes wird zunächst methodisch verallgemeinernd als „Einheit“ betrachtet, die unter denjenigen verschiedenen Anforderungen architektonisch vermittelt, die sich aus der Analyse der beiden gegensätzlichen Elemente ergeben und an den Entwurf stellen. Die Vielfalt an Gedanken, Bildern und Vorstellungen, die architektonische Ideen beinhalten, stellt die Vorlesung mit exemplarischen Exkursen zu Entwurfstheorien und –konzepten, zu architektonischen Projekten und Entwürfen und zu historischen und zeitgenössischen Bauten dar. Mit „16 Lektionen zur räumlichen Disposition der Stadt“ werden die Inhalte des ersten Vorlesungsteils „Raumentwurf“ als Thesen rekapituliert und als Ideen auf eine Raumgestaltung der Stadt übertragen.
TEIL I_REP. I_RAUMENTWURF REP. I: Grundbegriffe des Raumentwurfs. Beispiele und Literatur
TEIL II_V. VI_RAUMGESCHICHTE I: Perspektive. Über die „Entdeckung“ des Raumes
Mit der Frage nach dem Raumverständnis vorausgegangener Zeiten führt die Vorlesung „VI“ in geschichtliche Grundlagen der Raumgestaltung ein: In einem chronologischen Abriss werden wesentliche Raumgedanken und –theorien der Geistes- und Naturwissenschaften seit der Neuzeit vorgestellt und mit verschiedenen Epochen der Raumgeschichte der Architektur in Beziehung gesetzt. Dabei werden in gleicher Weise Transferfragen behandelt, die sich einerseits ausgehend vom Raumverständnis der Epochen an die jeweilige zeitgenössische Architektur richten und die sich andererseits ausgehend von zeitgebundenen Raumgestaltungen der Architektur nach den ihnen zugrunde liegenden kulturell und gesellschaftlich gebundenen Vorstellungen von Raum stellen: Das erste Kapitel der Raumgeschichte ist der Entdeckung der Perspektive in der Renaissance gewidmet. Den Auswirkungen dieser frühen „Raumwende“ der Architektur geht die Vorlesung in der Betrachtung theoretischer und praktischer Arbeiten von Filippe Brunelleschi (1377-1446), Leon Battista Alberti (1404-1472), Palladio (1508-1580) u. a. nach.
TEIL II_V. VII_RAUMGESCHICHTE II: Unendlichkeit. Über die Ästhetik des Raumes
Mit Hinweisen auf die astronomischen Weltraumvorstellungen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts führt die Vorlesung „VII“ in wesentliche Positionen der Raumphilosophie der Aufklärung, Descartes (1596-1650), Isaac Newton (1643-1727) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) ein. Vor dem Hintergrund der Theorienvielfalt unterscheidet die Vorlesung zwischen relationalistischen und absolutistischen Raumvorstellungen und ordnet die verschiedenen Denkansätze entsprechend zu. Das zweite Kapitel der Raumgeschichte ist der Raumarchitektur des Barock und der Vorstellung von der Unendlichkeit des Raumes gewidmet. Dabei geht die Vorlesung von einer analytischen Betrachtung der Gestaltungen zeitgenössischer Innenräume und Stadträume aus. Das dritte Kapitel der Raumgeschichte ist der Raumästhetik des 18. Jahrhunderts gewidmet. Vor dem geistesgeschichtlichen Hintergrund (Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762), Edmund Burke (1729-1797) und Immanuel Kant (1724-1804)) stellt die Vorlesung auf Charakter und Wirkung ausgelegte Rauminszenierungen der sogenannten Revolutionsarchitektur am Beispiel der Programmentwürfe von Étienne-Louis Boullée (1728-1799) vor.
TEIL II_REP. II_RAUMGESCHICHTE REP: II: Grundbegriffe der Raumgeschichte. Beispiele und Literatur
TEIL III_V. VIII_RAUMTHEORIE I: Raumwesen. Über den kunstgeschichtlichen Raumbegriff
Mit einer Vorstellung des theoretischen und praktischen Werkes Gottfried Sempers (1803-1879) führt die Vorlesung „VIII“ in den deutschsprachigen architekturtheoretischen Raumdiskurs nach 1850 ein. Im Mittelpunkt stehen Raumtheorien der Architektur und deren begriffliche Entfaltung beispielshalber in der Kunstwissenschaft. Schriften von August Schmarsow (1853-1936), Hermann Sörgel (1885-1952) u. a. werden als Beiträge zu einer Wesensbestimmung der Architektur und in der Folge als Hinweise auf einen eigentümlichen Begriff des architektonischen Raumes vorgestellt. In Übertragung auf die Stadt findet der Raumbegriff in den stadttheoretischen Abhandlungen von Camillo Sitte (1843-1903) bis Albert Erich Brinckmann (1881-1958) eine ästhetische Auslegung. Mit Exkursen zu zeitgenössischen architektonischen und städtischen Raumgestaltungen gibt die Vorlesung regelmäßig Möglichkeiten, die theoretischen Sachverhalte auch anschaulich nachzuvollziehen.
TEIL III_V. IX_ RAUMTHEORIE II: Phänomen. Über den architektonischen Raum
Mit einer Beschreibung der Differenzierung des Raumbegriffes im eingehenden 20. Jahrhunderts stellt die Vorlesung wesentliche und für die Architektur maßgebende Raumgedanken, Raumvorstellungen und –theorien auch anderer Disziplinen vor, beispielshalber der Physik, der Soziologie oder der Philosophie. In der raumanalytischen Betrachtung des architektonischen Werkes von Adolf Loos (1870-1933), von Mies van der Rohe (1886-1969) u. a. geht die Vorlesung dem Zusammenhang von Raumverständnis und Raumgestaltung nach. Mit Hinweisen auf phänomenologische Gedanken zur Räumlichkeit der Lebenswelt und näherhin des Hauses und der Stadt, so bei Martin Heidegger (1889-1976), Gaston Bachelard (1884-1962), Otto Friedrich Bollnow (1903-1991) u. a., führt die Vorlesung in wesentliche theoretische Grundlagen des architektonischen Raumdiskurses der Gegenwart ein.
TEIL III_REP. III_RAUMTHEORIE REP. III: Grundbegriffe der Raumtheorie. Beispiele und Literatur
PDF_Raumentwurfslehre, in: der architekt 2011/6