„Die Weise, wie der Mensch in seinem Haus lebt, bezeichnen wir als wohnen. Und so werden wir zunächst diesem Begriff nachgehen müssen, wenn wir das Verhältnis des Menschen zu seinem Haus bestimmen wollen. Das Wohnen ist eine Grundverfassung des menschlichen Lebens, die erst langsam in ihrer vollen Bedeutung erkannt wird. Der Mensch wohnt in seinem Hause. Er wohnt in einem allgemeineren Sinn auch in der Stadt. Aber Wohnen ist mehr als bloßes Sein oder Sich-befinden; denn diese beiden stehen zum Raum nur in einem äußeren Verhältnis. Der Existentialist, wenn wir uns an ihm eine äußerste Möglichkeit des menschlichen Daseins verdeutlichen, kennt kein Wohnen. In die Welt ‚geworfen‘, wie der bezeichnende Grundbegriff heißt, findet er sich an einer grundsätzlich beliebigen Stelle, die er sich nicht ausgesucht hat und die ihm wesensfremd bleibt. Er kennt die Welt nur als Druck der beengenden Situation. So bleibt er auf der Erde ein ewiger Fremdling, an keinen Ort besonders gebunden, immer unterwegs, aber niemals am Ziel. Wohnen aber heißt, an einem bestimmten Ort zu Hause sein, in ihm verwurzelt sein und an ihn hingehören.“
Otto Friedrich Bollnow, Mensch und Raum, Stuttgart 1963, S. 125
Module: EE, Einführen in das Entwerfen, Wohnen +; Stadtwohnen: Jülicher Straße, Aachen
Module Code: ...
Semester: SS
Jahr: 2020