Uwe Schröder: Dafür gibt es den Begriff der romantischen Wissenschaft, die die zersplitterten Teilwissenschaften wieder zu einem Gesamtmodell zusammenbringt – so etwas meinen Sie. Die Architektur hätte eine Syntheseleistung zu vollbringen...
Andreas Denk: Genau. So ähnlich, wie es Alexander von Humboldt in seinem „Kosmos“ versucht hat: alle Phänomene zu „sichern“ und gleichzeitig zu einem Gesamtbild zusammenzutragen, das den denkbaren und möglichen Entwurf eines Bildes der Welt abgibt. Und für die Architektur käme hinzu, dass sie eben nicht nur die geistig-technischen Komponenten berücksichtigt, sondern zugleich auch die Versöhnung mit dem Handwerk, also der Fertigung, und der Kunst, also der Phantasie, zu leisten hat und dabei nicht nur reflexiv ist, sondern produktiv wird. Der neue Architekt hätte von Fall zu Fall darüber zu entscheiden, wie und in welchem Maß und mit welcher Methodik die unterschiedlichen Wissenschaften respektive ihre Erkenntnisse zusammengeführt werden müssen, um eine schlüssige Lösung eines Problems zu bekommen: Die verantwortungsvolle und nachvollziehbare Entscheidung über das Maß des Einflusses von Handwerk, Kunst und Technik und ihren jeweiligen Unterkategorien wäre seine Wissenschaft. Dass das Resultat, das aus diesem Abwägungs- und Entwurfsprozess entsteht, schließlich eine metaphorische oder symbolische Form bekommt, die diese vielfältige Zuwendung zum Menschen zum Ausdruck bringt, wäre seine Kunst.
Uwe Schröder: Das würde die Architektur in eine ähnliche Position wie die Philosophie bringen, die als Wissenschaft der Wissenschaften operieren kann. Vielleicht könnte eine solche Wissenschaft der Architektur sogar mit interdisziplinären Teams arbeiten, die gemeinsam mit Architekten die Entstehung von Form und Raum reflektieren und weiterentwickeln könnten. Man könnte Ergebnisse sammeln, zusammentragen und in einem neuen, übergeordneten Kontext zum Raum entwickeln. Das wäre tatsächlich eine wissenschaftlich begründete Forschungsleistung der Architektur...
Andreas Denk: ...die dann gewährleistet wäre, wenn sie offenlegte, in welchem Maß und wie die unterschiedlichen Wissenschaften auf den Entwurf eingewirkt haben. Das Haus wird so gleichzeitig zum Produkt handwerklicher, geistiger und künstlerischer Arbeit, bei dem die Anteile der jeweils beteiligten Disziplinen und die Methode ihrer Einarbeitung offengelegt sind.