I. Das Bild der Stadt Bologna zwischen Erinnerung und Anschauung
Die einprägsame mittelalterliche Silhouette der inneren Stadt, die von Befestigung und einer Vielzahl (ca. 180) von Geschlechtertürmen geprägt gewesen war, hatte lange überdauert, erst im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die meisten der Türme zurückgebaut. Noch heute sind Turmbau und Türme fest im kulturellen Gedächtnis der Stadt verankert und unter den Verbliebenden, kommt dem ungleichen Paar Garisenda und Asinelli eine emblematische Bedeutung zu, die identitätsstiftend auf die bauliche Historie der Stadt zurückverweist: Bologna, „die Getürmte“ (la turrita).
Im Laufe ihrer Geschichte wurden der Stadt noch weitere Beinamen zugesprochen, wegen der gehaltvollen Küche: „die Fette“ (la grassa); wegen der roten Ziegel (und der politischen Verhältnisse): „die Rote“ (la rossa) und wegen der frühen Universitätsgründung: „die Gelehrte“ (la dotta). Aus der Sicht des Flaneurs und mit Bezug auf Walter Benjamin möchte man einen weiteren Namen hinzufügen: „die Poröse“[i] (…). Die zugängliche Räumlichkeit der Stadt ist von nicht enden wollenden Portiken bestimmt. Als Palästen und Häusern zugehörige Arkaden erweitern sie Straßen und Plätze, führen ins Innere von Höfen und sind der räumlich gefasste Ort des kollektiven städtischen Wohnens.[ii]
(… US)
[i]„Porös wie dieses Gestein ist die Architektur. Bau und Aktion gehen in Höfen, Arkaden und Treppen ineinander über. In allem wahrt man den Spielraum, der es befähigt, Schauplatz neuer unvorhergesehener Konstellationen zu werden. Man meidet das Definitive, Geprägte. Keine Situation erscheint so, wie sie ist, für immer gedacht, keine Gestalt behauptet ihr »so und nicht anders«. So kommt die Architektur, dieses bündigste Stück der Gemeinschaftsrhythmik, hier zustande.“ Walter Benjamin und Asja Lacis, Neapel, in: Rexroth, T. (Hg.), Walter Benjamin. Gesammelte Schriften, IV-1, Frankfurt am Main 1991, S. 307ff.
[ii] Zur Raumentwurfslehre am Beispiel der Stadt Bologna siehe: Uwe Schröder (Hg.), Bologna. Dokumente und Lektionen zur Raumentwurfslehre, Tübingen/Berlin 2012.
Autor: Uwe Schröder
Titel: Bolognina. Stadt der Türme und der Portiken / City of Towers and Porticos
Sammelband/Zeitschrift: in: The ex-market area of Bologna. Redesigning the medium-sized European city. Workshop international Bologna-Cesena, Baludicci, Valter, ESNA Normandie (Ed.)
Ort: Saint-Martin du Vivier
Datum: 2020
Seite(n): S. 34 – 41
ISBN: 978-2-9575467-0-1
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